Eigentlich wollte ich den Füllstand unserer Bücherregale schamlos als Anschaffungsargument für ein iPad2 benutzen. Weniger Platz, weniger Staubfang, schneller und oft auch billiger Bücher kaufen. Einhundert Bücher die zusammen gerade mal ein halbes Kilo wiegen. Verlockende Aussichten, wenn da nicht die vielen kleinen Aber in meinem Hinterkopf herumgeistern würden
Ich bin ja wirklich kein Fox Mulder, aber es braucht keinen diplomierten Verschwörungstheoretiker, um sich zu fragen, warum alle so darauf erpicht sind, persönlichen, tragbaren Besitz mit all seinen Rechten in die Cloud auszulagern, natürlich ohne diese Rechte. Ein echtes Buch kann ich bei Nichtgefallen oder nach dem dritten Lesen problemlos meinem Nachbarn ausleihen oder gleich ganz verschenken. Ein eBook oder einen Film in iTunes schon nicht mehr. Liest, speichert und analysiert jemand in der Cloud meine Lesegewohnheiten? Und dass man mir nachträglich unliebsame Bücher wegnehmen kann, wissen wir spätestens seit Kindle und der zurückgezogenen Edition von 1984. Was wird, wenn ein Buchinhalt morgen nicht mehr opportun ist? Löschen klingt soviel besser als Bücherverbrennung. Von Büchern, die ich heute wegen DRM nicht mehr lesen kann, will ich gar nicht anfangen…
Weniger verschwörerisch, aber von praktischer Relevanz: Wenn wir zwei Bücher im Regal haben, können meine Frau und ich jeder eins schnappen, es uns im jeweiligen Lieblingssessel bequem machen und schmökern. Hätten wir beide als eBook, müssten wir uns um das iPad balgen oder ein zweites kaufen. Und selbst wenn dieser Marketinggag klappt, bleibt das Problem mit den iTunes Accounts. Kann Home Share die Rechte eines Buches von Heikes Account auf meinen übertragen? Und ich vermute, beim Kindle wird das ähnlich aussehen. Apropos Kindle: wie viele Reader brauche ich, wenn ich ein paar eBooks bei Apple, ein paar bei Amazon und ein paar bei Google kaufe? Kann ich weiterhin englischsprachige Literatur lesen oder ist die in meinem Land nicht verfügbar? Beim Regioncode der Filmindustrie stellen sich mir jedes Mal die Nackenhaare auf.
Und schlussendlich und etwas nihilistisch: Was wird, wenn mir die Rente mit 67 keine finanziellen Eskapaden mehr erlaubt? Geht die Hardware kaputt und ich kann nicht sofort neue kaufen, sind alle meine Bücher verschwunden oder zumindest nicht mehr in meiner Reichweite.
Eigentlich will ich weg von toten Bäumen, aber ein erster Versuch hat mich noch nicht richtig überzeugt. Was sagt ihr da draußen, die ihr mehr Erfahrungen mit eBooks habt. Nur ein Hype oder notwendige Modernisierung? Wiegen die Vorteile die Risiken auf? Wozu würdet ihr mir raten?
Vielen Dank im Voraus!